"Je m'appelle Jean, et je te prépare du jus local frais!"

Sein Stand fällt auf, denn einige Leute stehen an, oder sitzen davor, an den klapprigen Plastiktischen unter dem Schatten spendenden Vordach. Irgendwie herrscht hier überall gute Laune, lachend und schwatzend vertreiben sich die Kunden die Zeit und saugen ab und zu an den Strohhalmen in ihren Pappbechern. Man hat das Gefühl, einen kleinen Erholungsort gefunden zu haben, inmitten der geschäftigen Fußgängerzone von Fort-de-France, gleich gegenüber vom Hintereingang des Cours Perrinon. Hier ist keine Hast zu spüren, niemand scheint es eilig zu haben.

Zentrum des Geschehens ist der Mann hinter der Theke, im Inneren der Hütte. Jean hat für jeden Kunden ein nettes Wort oder einen flapsigen Spruch übrig. Auf kreolisch geht es hoch her, besonders die martiniquanischen Kunden sind nie um eine Antwort verlegen, es wird viel gelacht und gewitzelt. Gleichzeitig mixt er in Windeseile seine Säfte, schneidet Früchte klein und befüllt Becher und Flaschen - besonders letztere frei Hand und mit einer Präzision die ihresgleichen sucht. Nicht ein einziger Tropfen geht daneben, wenn er den frischen Saft in hohem Bogen aus dem Messbecher in die Flaschenöffnung schießen lässt.

Es gibt kleine und große Becher, die Kleinen werden allerdings kaum verlangt. Sein Angebot ist riesig. Von Ananas über Mango und Passionsfrucht, Guajave und Melone bis hin zu Karotte ist alles dabei. Es gibt natürlich nicht jeden Tag die gleichen Früchte. Man muss eben wissen wann und wo man welche Früchte in guter Qualität bekommen kann, sagt er. Die Fruchtzusammenstellung kann man dann ganz frei nach Wunsch wählen. Außerdem muss man entscheiden, ob man zusätzlich noch ein wenig Zucker in seinem Fruchtsaft haben möchte oder nicht. Für die Mischung aller Früchte empfiehlt er es schon, denn sonst erschlägt einen die Geschmacksexplosion. Wo er Recht hat, hat er Recht. Die Mischung ist sowieso so ganz anders als alles was man im Supermarkt kaufen kann, vor allem nicht so wässrig, Und dann schmeckt man deutlich, dass sie ganz frisch zubereitet worden ist, ohne Konservierungsstoffe oder Stabilisatoren, all das hat sein "jus" natürlich nicht nötig. Ohne Zucker schmeckt die bunte Mischung erstmal aber schon ein bisschen ungewohnt. Sehr kräftig fruchtig, herb und ein wenig schwer.

Eigentlich kommt Jean aus Guadeloupe, aber er ist nun schon 20 Jahre hier auf Martinique, und betreibt seinen Stand. Er war schon lange nicht mehr dort, meint er. Ob er Guadeloupe vermisst? Naja dort sind die Leute direkter, sagt er. Dort sagen sie einfach geradeheraus was sie denken. Man merkt aber schon, dass er sich auch hier ganz gut eingelebt hat. Wenn man einen Moment auf den Aluminiumstühlen vor seinem Stand sitzt, den blauen Himmel genießt und den vorbeilaufenden Leuten zuschaut, sieht man auch viele Stammkunden zu Jean kommen. Der gut angezogene Herr mit Hemd und Schlips, vielleicht ein Büroangestellter bei einer ausgedehnten Mittagspause, ebenso wie der älterer Herr von um die Ecke, der sich seine Literflasche "jus mixte" abfüllen lässt. Jedoch das Großereignis schlechthin auf Martinique, die Tour de Yole, die gerade um die Insel zieht, die ist nicht sein Ding. Da verzieht er das Gesicht, als hätte er in eine seiner Zitronen gebissen... Der Aufstand, und die Massen von Menschen die am Strand durchdrehen und lautstark feiern... Nein, das braucht er nicht. Außerdem bleiben ihm da im Zentrum von Fort-de-France die Kunden weg, meint er, wenn die Hälfte der martiniquanischen Bevölkerung den Jollen hinterher um die Insel zieht.

Dennoch. Inzwischen haben einige Kunden bei Jean ihren Fruchtsaft bekommen, und alle gehen zufrieden davon, mit einem Lachen auf dem Gesicht. Auch eine Streife der Gendarmerie hat gehalten, um sich mit "jus mixte" zu versorgen.

Hat man seinen Fruchtsaft ausgetrunken, fühlt man sich, als hätte man eine ganze Mahlzeit zu sich genommen, man kann die Vitamine und den Fruchtzucker förmlich durch den Körper zirkulieren spüren. Und so kann man sich auch wieder gut gestärkt hinaus in die Sonne wagen, seinen Weg durch die kleinen Straßen von Fort-de-France fortsetzen, "à une prochaine fois", bei Jean und seinem Fruchtsaftstand...