"Je m'appelle Américain La! Écrit ce que tu veux, j'ai pas peur de la Police"
Es gibt hier zwei Gruppen, die Bleus und die Bloodz.... Man kann sie gut unterscheiden, die einen tragen blau, die anderen sind in rot gekleidet. Kämpfe gibt es hier aber keine, so scheint es. Man könnte meinen es wären einfach Banden von Jugendlichen, die sich von der Perspektivlosigkeit ablenken mit ihren Bandenspielen, und vielleicht ist ja auch was Wahres dran, aber lässt man sich nicht doch täuschen, vom Alter der Gangmitglieder und der strahlenden karibischen Sonne, die warm auf die friedliche Strandpromenade scheint?
"Mein Name ist Américain La! Schreib was du willst, ich habe keine Angst vor der Polizei.", sagt er - sein Kumpel komplettiert die Aussage wortlos. Er könne mir alles verkaufen was ich will, was suche ich denn? Koks, Weed,...? In der Tat sitzen sie zusammen mit anderen Bloodz und Bleu an der Ecke unter einem großen Baum und wickeln unauffällig ihre kleinen Geschäfte ab. Auch wenn man nicht viel davon mitbekommt, Nachfrage scheint genug zu sein an dem Bilderbuchstrand, der in der Hauptsaison eigentlich nur von Touristen bevölkert ist.
Was ist dein Traum, frage ich ihn. Er will nach Frankreich, sagt der Bleu, und seine Augen blitzen dabei vor Begeisterung und Vorfreude. Dafür macht er das alles hier? Ja, ist seine Antwort. Schon Ende des Jahres geht er nach Frankreich. Vielleicht, setzt er hinzu. Einen Cousin hat er "en Métropole", und dort will er dann in einer Fabrik arbeiten. Dafür hat er sogar einen Abschluss, erklärt er ganz stolz.
"Je m'appelle Washington, et moi, j'ui le chef!"
Er kommt direkt auf den Punkt, in seinem roten Poloshirt und der Kappe: Ich heiße Washington, und ich bin der Chef hier! Die anderen widersprechen nicht. Zumindest hat er das Geld und die Ware bei sich, wie es scheint. Und er begnügt sich nicht damit, von Kleinem zu träumen: Sein Traum ist irre viel Geld zu machen, sagt er. Wofür? Um sein Imperium aufzubauen, er ist schließlich der Chef hier! Kurz und knapp. Das über die Straße stolzieren, Autos winken und Wichtig sein kann er jedenfalls schon. Wo sie das ganze Zeug herhaben, das sie verkaufen, dass kann er mir nicht sagen. Nur soviel, es gibt Quellen.
"Je m'appelle Lil Kev, et mon rêve, c'est devenir chanteur."
Er ist der jüngste hier wie es scheint. Kein Hindernis jedoch, um zu den Bloodz zu gehören. Er wirkt ein wenig linkisch und unsicher, als er von seinen Traum erzählt: Ich heiße Lil Kev, und mein Traum ist Sänger zu werden. Ich singe alles was du willst, RnB, Zouk,... alles!
Es ist kein Bandenviertel, kein Slum, sondern einfach ein kleines karibisches Dorf am Meer, das vor allem vom Tourismus lebt - und trotzdem sind die Gangs eine Realität, auch wenn die Strukturen dahinter im Dunkeln bleiben. Jemand erklärt mir: "Ja, das Dorf ist ruhig, wenn du auch ruhig bist. Wenn du auf Stress aus bist kann das Dorf sehr ungemütlich werden." ... eine Parallelwelt? Oder Teil der Realität, die man nur nicht sieht, oder nicht sehen will? Auf jeden Fall sind die Zusammenhänge komplexer als man auf den ersten Blick sieht.
Auch wenn einen das gute Wetter und das warme Wasser nicht daran denken lassen; die Arbeitslosikeit auf Guadeloupe liegt Schätzungen zufolge um die 27%, unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Anteil noch weit höher. Wer nicht in der Tourismusbranche unterkommt, oder in der Rum- oder Agrarindustrie, hat kaum Aussicht darauf ein anständiges Auskommen zu haben und schon gar nicht darauf sich hocharbeiten zu können. Aber auch hier am Strand ist mit der Gang wohl eigentlich nicht viel zu verdienen, einer bittet mich sogar noch um 2 Euro um sich was zu trinken zu kaufen. Es fällt schwer, ein Urteil zu fällen. Doch fragt man sich, was aus ihnen wird - in einem Jahr, in fünf Jahren...
Sie sind immer da, hier am Eck unter dem großen Baum, direkt an der Uferpromenade. Vorbeifahrende Einheimische grüßen aus dem Auto, alle Gangmitglieder wohnen hier und waren schon immer hier. Wahrscheinlich werden sie wohl auch hier bleiben. Und die Polizei, die lässt sie in Ruhe.